
Vol. 1, N° 2, Summer 1994 EC COMPETITION POLICY NEWSLETTER PAGE 3
Bemühen im Vordergrund gestanden, zur Schaffung eines
auch von privaten Beschränkungen freien Binnenmarktes
beizutragen. Dies erklärt die intensive Beschäftigung mit
sogenannten vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen, die sich
vor allem im Verhältnis zwischen Hersteller und Handel
finden und die ein privilegiertes Mittel der Marktaufteilung
sind. In dem Maße, in dem der Binnenmarkt Wirklichkeit
wird, verliert dieser Gesichtspunkt an Gewicht. Neben der
nach wie vor aktuellen Verfolgung klassischer Kartelle rückt
auch im Bereich des Artikel 85 mehr und mehr eine
strukturelle Betrachtungsweise in den Vordergrund, wie sie
der Fusionskontrolle eigentümlich ist.
Dies gilt in besonderer Weise für die Behandlung
kooperativer Gemeinschaftsunternehmen. Die Globalisierung
der Wirtschaft, die beschleunigte technologische Entwicklung
und der wachsende Kapitalbedarf wird die Zusammenarbeit
zwischen konkurrierenden Unternehmen in zunehmendem
Maße erforderlich machen. In der Mehrzahl der Fälle wird
dies den Wettbewerb beleben. Wir müssen jedoch auf der
Hut sein, daß durch an sich begrüßenswerte Kooperationen
und strategische Allianzen nicht die wettbewerbliche Struktur
der Märkte beeinträchtigt wird. Dies erfordert in der Praxis,
auch im Bereich des Artikel 85 in verstärktem Maße
ökonomisch bestimmte Prüfungsmethoden anzuwenden.
Dieser neue strukturelle Ansatz, der mehr auf die
Wettbewerbsbedingungen und weniger auf die juristische
Prüfung von Vertragsklauseln abstellt, kommt übrigens auch
im Entwurf der neuen Gruppenfreistellungsverordnung für
Patent- und Know-how-Lizenzen zum Ausdruck, die die
Freistellung nach den Marktanteilen der betroffenen
Unternehmen differenziert.
C. FUSIONSKONTROLLE
Kernstück der Strukturkontrolle durch die Kommission bleibt
jedoch die Fusionskontrolle. Sie hat sich nach allgemeiner
Meinung in ihrer nunmehr dreieinhalbjährigen
Anwendungspraxis bewährt. Dies gilt nicht nur für die
administrative Herausforderung der Kommission, innerhalb
äußerst kurzer Fristen zu sachlich fundierten Entscheidungen
zu gelangen. In dieser Hinsicht ist der Beifall für die Praxis
der Kommission ungeteilt. Trotz aller hier und da geäußerten
Kritik und der nach wie vor im "ordnungspolitischen" Lager
bestehenden Skepsis hat die europäische Fusionskontrolle,
wie ich meine auch in materieller Hinsicht ihre
Bewährungsprobe bestanden. Es ist gelungen, die
Entscheidungspraxis eindeutig auf das "wettbewerbliche
Gleis" zu bringen. Das ist im Hinblick auf die
Entstehungsgeschichte der Fusionsverordnung und die in
langen Verhandlungen vereinbarten Formelkompromisse
keineswegs selbstverständlich. Diese ausschließlich
wettbewerbliche Orientierung bei der Anwendung der
Fusionsverordnung ist nicht zuletzt auch von der
Monopolkommission anerkannt worden. Trotz aller Erfolge
darf sich die Kommission jedoch nicht mit dem Erreichten
zufrieden geben. Es gilt die Praxis weiter zu entwickeln und
zu verbessern, und zwar unter beiden Aspekten: dem
Verfahren und der materiellen Prüfung.
I. Verfahren
Im Vordergrund unserer Bemühungen zur Verbesserung des
Verfahrens steht ein Gesichtspunkt, der generell für die
Arbeit der Kommission von zunehmender Bedeutung ist: die
Erhöhung der Transparenz. Schon die bisherige Praxis der
europäischen Fusionskontrolle ist, was die Entscheidungen
angeht, transparenter als andere Fusionskontrollsysteme. Die
Kommission ist wohl die einzige Wettbewerbsbehörde der
Welt, die in jedem angemeldeten Fusionsfall eine mit
Gründen versehene Entscheidung trifft und veröffentlicht.
Mehr Transparenz ist insbesondere im Bereich der Zusagen
möglich. Es muß gewährleistet werden, daß Zusagen
fusionierender Unternehmen, mit denen sie die
wettbewerblichen Bedenken der Kommission auszuräumen
versuchen, mit betroffenen Dritten und den Mitgliedstaaten
erörtert werden können. Dies gilt sowohl für Zusagen in der
ersten einmonatigen Verfahrensphase wie auch in der
zweiten Prüfungsphase. Mehr Transparenz gegenüber
Mitgliedstaaten und gegenüber Dritten, die vom
Verfahrensausgang berührt werden, kann dadurch erreicht
werden, daß die Kommission zu spät a/jointfilesconvert/418846/bgegebene Zusagen
zurückweist. Wenn die Zusagen zu einem Zeitpunkt
a/jointfilesconvert/418846/bgegeben werden, in dem eine angemessene Konsultation
von Mitgliedstaaten und dritten Parteien nicht mehr möglich
ist, bleibt den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit, die
Anmeldung des Zusammenschlusses zurückzunehmen und
das Vorhaben in veränderter Form neu anzumelden.
Andernfalls wird die Kommission die zweite
Verfahrensphase einleiten oder, wenn diese bereits eröffnet
ist, den Zusammenschluß untersagen.
Die Konsultation betroffener Dritter erscheint um so
wichtiger, als sich dritte Parteien immer häufiger aktiv an
Fusionsverfahren beteiligen. Die förmlichen Anhörungen sind
in jüngster Zeit zunehmend komplexer geworden, da von
dem Zusammenschluß betroffene Wettbewerber von ihrem
Recht auf Teilnahme an der Anhörung Gebrauch gemacht
haben. Die Fusionsverfahren entwickeln sich damit in
Richtung auf ein kontradiktorisches Verfahren. In diesem
Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß in Zukunft
vermehrt mit Konkurrentenklagen gegen
Genehmigungsentscheidungen und damit mit zunehmender
gerichtlicher Überprüfung der Praxis der Kommission in
Fusionsfällen zu rechnen ist.
Ein weiterer Beitrag zur Erhöhung der Transparenz in der
Fusionskontrolle kann durch die Veröffentlichung von
"guidelines", also von allgemeinen "Leitlinien" erreicht
werden. Die europäische Fusionskontrolle ist dabei, von der
Innovationsphase in die Konsolidierungsphase zu treten. Dies
erscheint als ein geeigneter Zeitpunkt, um die Politik der
Kommission zu bestimmten Problembereichen generell zu
formulieren und dadurch Transparenz, aber auch
Rechtssicherheit zu erhöhen. Die Erfahrungen der letzten
dreieinhalb Jahre haben uns in die Lage versetzt, eine Reihe
von Themen in Bekanntmachungen zu behandeln. So hat die
Generaldirektion IV unlängst den Entwurf einer neuen
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